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Autorenbildbienenschamanin

Die Zeit zwischen den Jahren - Raunachts-Rituale

Auch das Orakeln ist eine schöne Tradition in den Raunächten

Vor Weihnachten wusch meine Mutter immer körbeweise Wäsche. "Warum?" habe ich sie damals gefragt. Zwischen den Jahren dürfe man das nicht, war ihre Antwort. "Warum?" habe ich sie gefragt. "Sonst stirbt jemand." "Warum denn das?" "Ist halt so. Ein alter Brauch." Heute weiß ich, es geht einerseits darum, keine Wäsche aufzuhängen. Der Glaube daran, dass Odin mit der wilden Jagd übers Land zieht, ist hier die Grundlage für diese Tradition. Damit sich kein böser Geist in den aufgehängten Leinen und Laken verheddert und hängen bleibt. Tatsächlich ist mir einst ein solches Erlebnis passiert: Wir mussten eine Birke auf unserem Grundstück fällen. Daneben flatterte fröhlich ein frisch gewaschenes Bettlaken in der Sommersonne. Als ich dieses dann von der Leine nahm und ins Haus holte, ging es uns plötzlich nicht mehr besonders gut, irgendetwas passte nicht. Mit einer Räucherung konnten wir den aufgebrachten Baumgeist dann wieder befrieden und verabschieden. Das war mir eine Lehre, seitdem werden keine Gartenarbeiten mehr vorgenommen, ohne zuvor die Naturgeister zu informieren. Aber zurück zum eigentlichen Thema...


Die Zeit steht still

Der zweite Punkt beim Waschen ist die sich drehende Wäschetrommel: angeblich steht zwischen den Jahren "die Zeit still". Um diese heilige Stille nicht zu stören, sollten sich keinerlei Räder drehen, hieß es. Ob damit wirklich Wäschetrommeln gemeint waren, darf jeder für sich selbst entscheiden, was aber tatsächlich gemeint gewesen sein könnte, waren die Spinnräder, die sich nicht drehen durften.

Nun bin ich gerne mal ein sturer Dickschädel, der, wenn mir gesagt wird, dass ich etwas nicht darf, es dann erst recht und ganz sicher macht. Es sei denn, ich verstehe den Sinn des Verbotes. So stehen bei mir auch die alten Bräuche und Überlieferungen nach der heutigen Sinnhaftigkeit auf dem Prüfstand und ICH wasche meine Wäsche definitiv auch zwischen Weihnachten und Neujahr. Ich hänge sie aber nicht zum Trocknen draußen auf, auch nicht im Keller, wir besitzen den Luxus eines Wäschetrockners. Dafür besitze ich kein Spinnrad, zumindest noch nicht, man weiß ja nie, aber ich glaube spinnen würde ich in der Tat nicht zwischen den Jahren. Schließlich ist das universelle Gesetz "wie innen so außen, wie oben so unten" ja die Grundlage für viele unserer Feste im Jahreskreis. Die Vorgänge in der Natur werden durch die Taten der Menschen wiedergespiegelt und unterstützt. So werden die Naturgeister durch das tolle Treiben zu Fasching oder Karneval wieder aus der Erde gelockt, mit den Feuern zur Sonnenwende der Sonnengott verabschiedet und mit den Lichtern und Kerzen zur Weihenacht das wiedergeborene Licht begrüßt. Na so was, jetzt bin ich schon wieder abgeschweift, was wollte ich denn eigentlich...achja, die stillstehende Zeit. Das verstehe sogar ich, tatsächlich ist es so, daß zwischen der Wintersonnenwende am 21. und der Weihenacht am 24.12. der Zeitpunkt für Sonnenauf- und Sonnenuntergang nahezu identisch bleibt. Eine andere Erklärung sind die "fehlenden Tage" zwischen dem solaren und dem lunaren Kalender: unser heutige gebräuchlicher Sonnenkalender richtet sich ja nach dem Lauf der Erde um die Sonne und dauert 365 Tage mit 12 Monaten plus minus Schalttage. Der zuvor gebräuchliche Lunarkalender hingegen orientiert sich am Laufe des Mondes um die Erde, umfasst also 12 Mondmonate mit je 29 bis 30 Tagen und ist damit kürzer als das Sonnenjahr, in der Regel zwischen 11 und 12 Tagen. Genaueres kannst du hier nachlesen. Diese Differenz bezeichnet die Tage "zwischen den Jahren, in der die Zeit still steht". Sie werden gebräuchlicher Weise auch Rau(h)nächte genannt.


Die Raunächte

Diese Raunächte sind seit jeher eine besondere Zeit, eine Zeit in der die Arbeit ruht, das Leben weniger im Außen sondern vielmehr Innen und auch im Inneren stattfindet. So wird Innenschau gehalten, Rückschau auf das vergangene Jahr und damit auch Wünsche für das neue Jahr erträumt. Um diese Wünsche auch zu manifestieren, gibt es eine Reihe Bräuche und Ideen, zum Beispiel das Anzünden einer Kerze oder das Verbrennen von Wünschen. Während ich das Kerzenritual sehr stimmig finde (gibt es doch eine ganze Reihe Kerzenzauber: Geburtstagskerzen, Osterkerzen, Kommunions- oder Hochzeitskerzen uvm.) verstehe ich den Sinn des Wünsche-verbrennens nach wie vor nicht. Es heißt, der Rauch trägt den Wunsch zu den Geistern. Aber Feuer hat doch eine transformierende Energie. Es nimmt den Wunsch, zerstört ihn, zerlegt ihn in alle Einzelteile und bringt etwas neues in die Welt. Ist für mich nicht der Sinn des Ganzen, wenn ich etwas zum Wachsen bringen möchte, pflanze ich es in die Erde wie einen Samen. Also lieber Wunsch aufschreiben, vielleicht in eine kleine Nussschale legen, in die Erde geben und abwarten, bis daraus eine große, kräftige Pflanze wächst. Das ist für mich viel mehr mit den Elementen im Einklang, aber auch hier darf jeder für sich kreativ werden. Auch das Orakeln ist eine schöne Tradition in den Raunächten. Angeblich sind die Schleier zwischen den Welten in diesen Tagen dünner als sonst, es sei viel einfacher, den Kopf abzuschalten und Impulse aus der Nicht-manifesten Welt zu empfangen. Doch dazu muss man sich der weihnachtlichen Stille hingeben. Wer dem Weihnachtsstress und dem Geschenkewahn nachjagd, wird die flüsternden Stimmen der leuchtenden Geister kaum hören können. Für mich ist es immer wieder schön, am Feuer zu sitzen, mit einer Tasse Glühwein in der Hand und den lodernden Flammen zu lauschen. Die Elemente können dich viel Weisheit lehren!

Wann diese 12 heiligen Nächte beginnen, findet man sehr schnell, wenn man Herrn Google fragt. Vom 24. Dezember bis 6. Januar dauern sie. Doch ganz so starr halte ich das nicht, mir ist das Datum der Wintersonnenwende viel wichtiger als der 24.12. daher feiere ich die Raunächte von der Nacht vom 20. auf den 21. Dezember bis zum 1. Januar. Auch das fühlt sich für mich runder und stimmiger an. Aber auch dies darf meiner Meinung nach fließend gestaltet werden, schließlich waren die Feierlichkeiten unserer Ahnen wahrscheinlich auch nicht an feste Kalendertage gebunden sondern eher an Mondphasen.


Die Sperrnächte

Vor den Raunächten gibt es noch die Tradition der Sperrnächte. Erst vor einigen Jahren habe ich von dieser Zeit gelesen und hielt es für neumodisches Eso-Geschwafel, um wieder irgendwelche Regeln zu etablieren, was man wann nicht dürfe. Im Zuge der Recherche für diesen Artikel habe ich jedoch neue Informationen gefunden, die sich wiederum mit meinem eigenen Tun und Handeln decken, ohne dass ich die Tradition bewusst befolgt habe. Die zwölf Sperrnächte gehen den Raunächten voraus und bezeichnen eine Zeit, in der das alte Jahr mit Aufräumen und Saubermachen beendet wird. Die üblichen Tagesgeschäfte werden abgeschlossen, Werkzeuge und Geräte weg"gesperrt", damit in den Raunächten der Geist auch wirklich zur Ruhe kommen kann und Zeit findet, das Nichtstun zu zelebrieren. Tatsächlich habe ich persönlich den Drang, für Weihnachten alles schön sauber und ordentlich herzurichten, um mich anschließend von den flackernden Kerzen im Schein der geputzten Flächen und Gläser verzaubern zu lassen. Übrigens habe ich dieses Jahr zum ersten Mal verstanden, was es heißt, einen Zauber zu wirken. Und warum dafür eine gewisse Vorbereitung nötig ist: Du hast einen Wunsch, was dein Zauber bewirken soll und bereitest deinen Arbeitsplatz vor, damit alles an Ort und Stelle ist, um später mit der eigentlichen Handlung das gewünschte Ergebnis zu erzielen. Alles in deiner Umgebung schwingt durch die Vorbereitung im Einklang mit dieser Handlung und verstärkt den ins Leben gerufenen Zauber. Vielleicht ist das auch mit dem Zauber der Weihnacht gemeint und vielleicht ist dafür auch für manche der ganze Weihnachtsstress notwendig: damit durch den Kontrast zu den Feiertagen und dem Genuss der Stille der eigentliche Sinn von Weihnachten umso mehr ins Bewusstsein rückt.

Wie auch immer du deine Tradition zwischen den Jahren gestalten magst, ob du Weihnachten feierst oder die Sonnenwende, das Schenken zelebrierst oder das Essen oder vielleicht auch beides, ich wünsche dir eine magische Zeit voller Wunder, leuchtenden Lichtern und der Stille, die dich zurück zu dir selbst führt und dich tief in dein Herz eintauchen lässt.

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